In einem Land mit Namen Gabon lag ein kleines Dorf am Rande eines Waldes. In der Mitte des Waldes auf dem höchsten Ast eines gewaltigen Baumes lebte ein sehr besonderer Vogel - der Vogel, der den Regen machte.
So lange sich die Dorfbewohner erinnern konnten, hatten sie Zeit darauf verwendet, den Vogel glücklich zu machen. Sie sammelten Brotreste, Obststücke und frische Kokosmilch, und alle ein bis zwei Wochen brachte eine Gruppe der Dorfbewohner diese Köstlichkeiten in den Wald. Wenn sie sie am Fuße des Baumes ablegten, spielte einer von ihnen ein einfaches Lied auf einer Kalimba.
Nach einer Weile flog der Vogel herunter auf den Waldboden und er aß und trank. Wenn er fertig war, begann er, ein wunderschönes Lied zu singen. Gleichzeitig erhob er seine dunklen, leuchtend blauen Flügel und innerhalb weniger Minuten fing es an zu regnen.
Das ging viele Jahre lang so. Weil es regelmäßig regnete, wuchsen die Feldfrüchte reichlich und es gab Nahrung im Überfluss. Aber allmählich änderten sich die Dinge. Irgendwie waren die Dorfbewohner immer beschäftigt und sie fingen an, den Regenvogel zu vernachlässigen. „Es wird sowieso regnen“, sagten sie. „Es ist an der Zeit aufzuhören, diesen albernen, alten Vogel zu verwöhnen.
Aber die Leute irrten sich. Als sie aufhörten, sich um den Vogel zu kümmern, hörte es auf zu regnen. Die Ernte begann zu vertrocknen und abzusterben, und die Tiere wurden dünn und schwach. Trotzdem ging niemand im Dorf in den Wald, um den Vogel zu füttern, der den Regen brachte. Jetzt waren sie alle zu beschäftigt damit, in der Nachbarstadt Geld zu verdienen, um Essen zu kaufen.
An einem heißen Tag beschloss ein junges Mädchen mit Namen Ketti, nach der Schule in den Wald zu gehen. „Zumindest wird es dort kühl sein“, dachte sie bei sich. Sie ging und ging, und nach einiger Zeit kam sie zu dem großen Baum, auf dem der Regenvogel lebte. Ketti blickte den Baum hinauf. Plötzlich erinnerte sie sich daran, wie ihre Oma sie in den Wald geführt hatte, um den Vogel zu füttern, als sie noch ein kleines Kind gewesen war. Ketti öffnete ihre Schultasche und holte ein Stück Brot hervor, das von ihrem Mittagessen übrig geblieben war. Vorsichtig legte sie das Brot unter den Baum. Dann sang sie, weil sie keine Kalimba dabei hatte, ein altes Lied, das sie schon ihr ganzes Leben lang kannte.
Mit einem lauten Rauschen stürzte ein schöner blauer Vogel aus den Zweigen über Kettis Kopf und begann, das Brot zu essen. Als der Vogel fertig war, öffnete er den Schnabel und sang ein paar klare, hohe Töne. Er erhob er seine glänzenden Flügel und dann plötzlich hörte Ketti das Grollen eines Donners. Als sie zu Hause ankam, prasselten riesige Regentropfen herab und kühlten die glühende rote Erde.
Ketti war sehr glücklich, bis sie ihren Eltern erzählte, was passiert war. „Sei nicht albern!“ schimpfte ihre Mutter. „Niemand glaubt noch, dass der Vogel mit dem Regen zu tun hat!“ „Deine Mutter hat recht“, sagte Kettis Vater. „Die Dürre ist jetzt vorbei und es wird uns gut gehen. Verschwende kein gutes Brot mehr, um noch mal diesen gierigen alten Vogel zu füttern!“ Obwohl Ketti nicht mit ihren Eltern diskutierte, war sie sich sicher, dass sie unrecht hätten. „Wenn nur Oma noch lebte“, sagte sie zu sich selbst, „sie hätte mir geglaubt!“ Aber Kettis Oma war vor ein paar Jahren gestorben. Das einzige, was Ketti noch hatte, war die alte Kalimba ihrer Oma.
Zwei Wochen vergingen und es fiel kein Regen mehr. Die Ernte begann wieder zu vertrocknen, und die Rippen der hungrigen Tiere fingen wieder an hervorzustehen. Die Sonne brannte unbarmherzig vom grell blauen Himmel herab. „Es ist mir egal, was sie sagen!“ dachte Ketti. „Wir brauchen Regen. Ich werde den Vogel morgen wieder füttern!“
Darum schlich Ketti sich früh am nächsten Morgen aus dem Haus, nachdem sie ein Stück Brot und eine Hand voll roter Beeren aus der Küche genommen hatte. Sie machte sich auf den Weg in die Mitte des Waldes. Sie hatte aber nicht gemerkt, dass auch ihr Vater wach war. Als er sah, was seine Tochter tat, wurde ihm klar, dass sie den Regenvogel wieder füttern würde.
„Ich werde diesem ungehorsamen Kind eine Lektion erteilen!“ sagte er wütend zu sich. Er nahm Bogen und Pfeile und folgte Ketti leise in den Wald. Gerade als der Vogel hinabflog, um das zu essen, was Ketti ihm mitgebracht hatte, hob ihr Vater seinen Bogen und schoss den tödlichen Pfeil ab. Der Pfeil flog direkt in das Herz des Vogels. Der Vogel stieß einen durchdringenden Schrei aus. Entsetzt wirbelte Ketti herum - gerade rechtzeitig, um ihren Vater tot umfallen zu sehen. Ketti schrie auf und drehte sich wieder um - gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der Pfeil schadlos vom glänzenden Körper des Vogels abfiel. Dann schwang sich der Vogel unverletzt auf den höchsten Ast des Baumes.
Ketti rannte aus dem Wald heraus zu einem Ort der Verwüstung. Sie sah, dass alle Tiere und alle Menschen tot auf dem Boden lagen. Mit klopfendem Herzen rannte sie den ganzen Weg zurück bis zu ihrem Haus. Sie fand schnell die alte Kalimba ihrer Oma. „Das ist meine einzige Hoffnung!“ dachte sie. „Der Regenvogel ist wütend. Ich muss ihn wieder glücklich machen! ICH MUSS!“
Eine halbe Stunde später war Ketti wieder am Fuß des großen Baumes. Ihr Körper war schweißgebadet und sie schnappte nach Luft. Ein paar Schritte von ihr entfernt lag der leblose Körper ihres Vaters. Ketti sah schnell weg und begann mit zitternden Händen die Kalimba zu spielen. Sie spielte und spielte, bis ihr die Finger weh taten.
Schließlich geschah das, was sie sich am meisten auf der Welt gewünscht hatte. Der Vogel flog hinunter, als wäre nichts geschehen. Der Vogel aß einige der Beeren, die noch auf dem Boden lagen und sang ein paar Töne. Als Ketti weiterspielte, hob der Vogel die Flügel. Ketti hörte ein Geräusch hinter sich.
Ihr Vater war wieder aufgewacht. „Es tut mir leid!“ sagte er immer wieder zu dem großen, blauen Vogel. Dann streckte er seine Hand nach seiner Tochter aus und sie gingen langsam zurück ins Dorf. Im Dorf lebten alle Menschen und Tiere wieder.
In dieser Nacht hielten die Dorfbewohner ein Treffen ab. Sie alle waren sich einig, dass sie eine wichtige Lektion erhalten hatten. Und von diesem Tag an verging keine Woche ohne einen Ausflug in den Wald, um den Vogel zu füttern, der ihnen den Regen brachte.
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